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Das unter Denkmalschutz stehende Detlev-Rohwedder-Haus in Berlin war ursprünglich Sitz des Reichsluftfahrtministeriums, dann diente es der sowjetischen Besatzungsverwaltung und ab 1950 als „Haus der Ministerien“ der DDR. Nach einem Umbau zwischen 1996 und 1999 beherbergt es heute das Finanzministerium und Teile der Bundesratsverwaltung. Der an der Ecke Wilhelmstraße/Leipziger Straße gelegene Vorplatz des Detlev-Rohwedder-Hauses wurde im Jahr 2000 nach historischem Vorbild durch die Architektin Ute Pieroth gestaltet. In diesem Zusammenhang erhielt Berlin ein weiteres Denkmal zur deutschen Geschichte. Eine auf dem Boden unter einer Glasplatte installierte historische Fotografie zeigt untergehakt protestierende Arbeiter des 17. Juni 1953. Der Künstler Wolfgang Rüppel hat das anonyme dokumentarische Foto bearbeitet und es – in Zusammenarbeit mit Ute Pieroth – mit einer Länge von fünfundzwanzig Metern und einer Breite von drei Metern unmissverständlich als Antwort auf das dahinter in der Pfeilervorhalle des Rohwedder-Hauses befindliche Wandbild „Aufbau der Republik“ konzipiert. Dieses 1952 nach einem Entwurf des Malers und Grafikers Max Lingner (1888-1959) entstandene Wandbild verbreitet im Namen des Sozialismus Optimismus und Zukunftsgläubigkeit. Die Aufrichtigkeit des Glaubens an die Utopie kann man der Malerei von Max Lingner, einem Widerstandskämpfer gegen das Naziregime, nicht absprechen. Allerdings kann man ihr eine stramm mit der Staatsdoktrin einhergehende künstlerische Haltung bescheinigen. Die Installation von Wolfgang Rüppel misst diesen – alsbald von der Wirklichkeit desillusionierten – Optimismus an den Ereignissen des 17. Juni 1953. Sie unterzieht die ideologische Verklärung des Wandbildes einer kritischen beziehungsweise vernichtenden Revision, indem sie der Utopie keine Gegen-Utopie entgegensetzt, sondern mit einem historischen Foto, das zunächst nur als Dokument gemeint war, die nackte Wahrheit. Dabei hat Rüppel die Struktur des Fotos vergröbert und das Bild auf zwei Glasflächen übertragen. So verzichtet die Installation auf Pomp und Pathos der Authentizität und breitet sich ohne jede visuelle Machtgebärde auf dem Boden aus. Sie baut Fronten auf und erklärt den „Sozialismus“ der untergehakt gehenden Arbeiter zur wahren Brüderlichkeit, die auf dem Wandbild Hoffnung und leere Versprechung geblieben ist. Die Architektin Ute Piroeth hat den Zusammenhang von Wand- und Bodenbild durch die „hinführende“ Gestaltung des Platzes, die auf die Pfeilerstellung reagiert, unterstrichen. Kunst fungiert hier als Korrektiv und Abrechnung mit historischen Altlasten. Das auf Initiative und als Gemeinschaftsunternehmung von Bund und Berliner Senat zustandegekommene Denkmal hegt gegen-propagandistische Absichten, die in Haltung und Selbstgewissheit den propagandistischen Absichten entsprechen, die sie kritisiert.
Wie schwierig es ist, politische Geschichte künstlerisch aufzubereiten, zeigt auch dieses Projekt. Der Entscheidung für das Denkmal von Wolfgang Rüppel ging ein zweistufiger Wettbewerb voraus. Keiner der Entwürfe, die 87 eingeladene Künstlerinnen und Künstler eingereicht hatten, schaffte es in die nächste Runde, so dass für die zweite Phase zehn weitere Künstlerinnen und Künstler, darunter Rüppel, aufgefordert wurden. MS/JS
Weiterführende Literatur Online:
Martin Seidel / Johannes Stahl (Autoren), Bundesinstitut für Bau-, Stadt- und Raumforschung (BBSR) im Bundesamt für Bauwesen und Raumordnung (BBR) (Hrsg.): Kurzdokumentation von 200 Kunst-am-Bau-Werken im Auftrag des Bundes von 1980 bis 2010. BBSR-Online-Publikation 13/2014, Bonn, Dezember 2014.
Wie schwierig es ist, politische Geschichte künstlerisch aufzubereiten, zeigt auch dieses Projekt. Der Entscheidung für das Denkmal von Wolfgang Rüppel ging ein zweistufiger Wettbewerb voraus. Keiner der Entwürfe, die 87 eingeladene Künstlerinnen und Künstler eingereicht hatten, schaffte es in die nächste Runde, so dass für die zweite Phase zehn weitere Künstlerinnen und Künstler, darunter Rüppel, aufgefordert wurden. MS/JS
Weiterführende Literatur Online:
Martin Seidel / Johannes Stahl (Autoren), Bundesinstitut für Bau-, Stadt- und Raumforschung (BBSR) im Bundesamt für Bauwesen und Raumordnung (BBR) (Hrsg.): Kurzdokumentation von 200 Kunst-am-Bau-Werken im Auftrag des Bundes von 1980 bis 2010. BBSR-Online-Publikation 13/2014, Bonn, Dezember 2014.
Denkmal zur Erinnerung an den Aufstand des 17. Juni 1953
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